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Active Thinking

Auf dem jüngsten Active Thinking Forum von GAM Investments reflektierte Swetha Ramachandran über die starke Preissetzungsmacht von Luxusmarken sowie über die längerfristigen Trends, die den Sektor unterstützen.

02. November 2022

Luxusaktien erlebten in der ersten Jahreshälfte einen Abschwung, der unseres Erachtens auf das makroökonomische Umfeld zurückzuführen ist: Zum einen sahen wir zu Beginn des Jahres eine Rotation von Wachstums- zu Substanzwerten. Seitdem wurden die Kurse von Luxusaktien von den Auswirkungen der Zinserhöhungen nach unten getrieben. Nach unserer Ansicht ist nun das Schlimmste überstanden, da die Luxusmarken weiterhin die Gewinnerwartungen erfüllen und sogar übertreffen. Wir sind der Überzeugung, dass in den nächsten sechs bis neun Monaten in vielen Fällen eine Rückkehr zu den Fundamentaldaten belohnt wird. Langfristig betrachtet profitiert das Wachstum zahlreicher Luxusunternehmen von den niedrigeren Kapitalkosten, die sich aus ihrem überproportionalen Engagement in den Schwellenländern ergeben, da in Asien im Durchschnitt etwa ein Drittel der Gesamteinnahmen des Sektors erwirtschaftet wird.

Die Rentabilität des Sektors steigt weiter an

Viele Luxusunternehmen haben während der Pandemie gut verdient und tun dies auch weiterhin, da sie von einer überdurchschnittlichen Preissetzungsmacht profitieren, die es ihnen ermöglicht, Preiserhöhungen deutlich vor Eintritt höherer Inflationsraten weiterzugeben. Dies führt zu einer weiteren Ausweitung der Margen, was im derzeitigen makroökonomischen Umfeld sehr ungewöhnlich ist, da die Unternehmen durch höhere Lohn- und Energiekosten belastet werden. Dieser Sektor befindet sich in einem “Sweet Spot”, in dem dieser Kostendruck aufgrund der hohen Bruttomargen geringere Effekte bewirkt, und die Unternehmen aufgrund der Attraktivität ihrer Marken in der Lage sind, Preisanstiege weiterzugeben. Es ist wichtig, zwischen Unternehmen mit und solchen ohne Preissetzungsmacht zu unterscheiden. Preiserhöhungen gingen bislang nicht mit Mengenrückgängen einher. Die Zurückhaltung der Verbraucher war in der Tat sehr gering. In den vergangenen 18 Monaten haben wir erlebt, dass Marken auf dem Höhepunkt der Pandemie die Preise erhöht haben. Dies hatte eine fast gegenteilige Auswirkung, da die Verbraucher davon ausgingen, dass die Preise in Zukunft deutlich höher sein würden, da die stärkeren Marken nicht zu Werbeaktionen oder Preisnachlässen neigen. Die Preissetzungsmacht lässt sich quantitativ anhand der Bruttomargen messen. Der Sektor erwirtschaftet im Durchschnitt Bruttomargen von 70 bis 80 %, während der Durchschnitt des MSCI World Index bei etwa 50 % liegt, einschliesslich der Schwergewichte der Technologiebranche.

Wir beobachten, dass die Gewinnspannen und die Rentabilität steigen, aber die Bewertungen sinken. Der Sektor wird mittlerweile mit einem deutlichen Abschlag von 20 bis 30 % gegenüber dem Fünf- oder Zehnjahresdurchschnitt gehandelt. Wir beobachten, dass die Unternehmen des Sektors ihre Ertragslage verbessern. Ein Grund dafür ist der Vorteil eines schwächeren Euro, da viele dieser Unternehmen zwar in Euro notiert sind, ihre Erträge jedoch in Währungen wie dem US-Dollar und dem chinesischen Renminbi erwirtschaften und etwa 80 % der Erträge nicht auf Euro lauten.

Darüber hinaus verbessert sich das Profil des Sektors strukturell infolge der während der Pandemie ergriffenen Kostensenkungsmassnahmen, mit der Folge, dass die Margen nun steigen und der freie Cashflow wesentlich höher ist als vor zwei Jahren, was dazu geführt hat, dass der Sektor aktuell im Gegensatz zum Geschäftsjahr 2019 einen Nettobarmittelüberschuss aufweist. Das ermöglicht den Bilanzen viel Spielraum, und die Nettoliquidität bewahrt den Sektor vor den schlimmsten Zinserhöhungen.

Langfristige Trends

Einer der langfristigen Sektor-Trends ist die wachsende Mittelschicht, zu der jede Sekunde fünf Menschen aufsteigen. Es wird erwartet, dass 80 % der nächsten Milliarde Menschen, die der Mittelschicht angehören, aus China und Indien stammen. Die Kaufkraft der globalen Mittelschicht bildet die langfristige Grundlage für den Luxussektor, dessen Einnahmen in den letzten 25 Jahren um etwa 6 % pro Jahr gestiegen sind. Dieses Wachstum liegt deutlich über der Zunahme des globalen BIP und insbesondere des BIP-Wachstums der Eurozone. Dieses Ertragswachstum führte zu attraktiven Aktionärsrenditen, die im gleichen Zeitraum deutlich über den globalen Renditen lagen. Zu den weiteren treibenden Faktoren des Umsatzwachstums zählen jedoch auch demografische Veränderungen: Es wird erwartet, dass die Millennials und die Generation Z bis zum Jahr 2030 etwa 70 % der Nachfrage in der Branche ausmachen werden. Die jüngeren Generationen sind zu diesem Zeitpunkt besonders wichtig für das Wachstum des Luxussektors, insbesondere auf dem US-Markt. Die jüngere Generation von Verbrauchern treibt zudem die Nachhaltigkeit in der Branche voran. In vielen anderen Sektoren ist Nachhaltigkeit ein “Top-Down”-Trend. In der Luxusbranche wird das Thema Nachhaltigkeit jedoch von den Verbrauchern vorangetrieben.

Die Sorge um den US-Verbraucher ist gross. Doch zur Verwunderung vieler Menschen entwickelt sich der US-Luxusmarkt weiterhin von Stärke zu Stärke. Wir erkennen dies in den Ergebnissen des dritten Quartals, wie z. B. bei Moncler, das feststellte, dass sich die amerikanische Käuferschicht für die Marke vergrösserte, was angesichts des aktuellen Hintergrunds bemerkenswert ist. Dazu zählen auch Verkäufe an Amerikaner im Ausland, insbesondere in Europa, denn sowohl der schwache Euro als auch der erste “normale” Reisesommer nach zwei Jahren Pandemie haben eindeutig dazu geführt, dass die Amerikaner vermehrt in Europa konsumieren und reisen.

Die überschüssigen Ersparnisse, d. h. der Bestand an Ersparnissen, den die US-Haushalte während der Pandemie aufgebaut haben, gehen aufgrund des steigenden Inflationsdrucks und der gestiegenen Lebenshaltungskosten zurück. Der Ersparnisüberschuss ist jedoch immer noch hoch. Die überschüssigen Ersparnisse erreichten im vergangenen Frühjahr, als die letzten Konjunkturpakete die US-Haushalte erreichten, einen Höchststand von etwa 2,2 Billionen USD. Inzwischen sind sie auf etwa 1,7 bis 1,8 Billionen USD gesunken, was immer noch deutlich über den Ersparnissen vor der Pandemie in den USA liegt. Es ist wichtig zu betonen, dass es einen Verteilungseffekt gibt, bei dem Haushalte mit höherem Einkommen, die überwiegend auf Luxuskonsum abzielen, überproportional von den überschüssigen Ersparnissen profitieren als Haushalte mit niedrigerem Einkommen. Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 100.000 USD haben in den letzten drei Monaten ihre Ersparnisse abgebaut. Bei dem Tempo, in dem sie ihre Ersparnisse ausgeben, würden Haushalte mit höherem Einkommen etwa anderthalb bis drei Jahre benötigen, um ihre überschüssigen Ersparnisse abzubauen. Die US-Verbraucher sind somit widerstandsfähig, und es findet noch keine Verlangsamung des privaten Konsums statt. Wie bereits erwähnt, konsumieren die US-Verbraucher mehr ausserhalb der USA, vor allem in Europa. Dies ist für den Sektor nicht negativ, da die europäischen Geschäfte von der operativen Hebelwirkung profitieren werden, da sie die höchsten Fixkosten von allen Regionen des Sektors aufweisen.

China ist derzeit der zweitwichtigste Markt für den Luxussektor, wir gehen jedoch davon aus, dass das Land in den nächsten fünf Jahren wieder zum wichtigsten Motor für den Sektor aufsteigen wird. Auf dem jüngsten Parteikongress suchten die Marktteilnehmer nach Anzeichen dafür, dass die Regierung eine Politik für Wohlstand und Besserverdienende ankündigen könnte, wie z. B. die allgemeine Wohlstandspolitik, die im letzten Jahr eingeführt wurde. Diese Politik löste eine reflexartige Reaktion auf den Luxussektor aus, der durch die Anti-Korruptionskampagne der Jahre 2012 und 2013 stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Nach unserer Ansicht unterscheidet sich die Politik des allgemeinen Wohlstands deutlich von der Anti-Korruptionskampagne. Beim allgemeinen Wohlstand handelt es sich um die Vergrösserung des Kuchens. Die Regierung hat deutlich gemacht, dass sie die Mittelschicht bis zum Ende dieses Jahrzehnts von 400 Millionen auf 800 Millionen Menschen ausweiten will. Dies wird nicht unbedingt durch Umverteilung erreicht, sondern durch Wachstum und Entwicklung insgesamt. Wir haben weder vom Parteitag noch von Funktionären negative Äusserungen bezüglich des Luxussektors vernommen. Wir erwarten keine neuen Überraschungen in Bezug auf den Luxussektor, da die Pandemie im Wesentlichen eine Rückkehr des chinesischen Konsums in die Heimat bewirkt hat. Vor der Pandemie wurde mehr als die Hälfte der Ausgaben für Luxusgüter chinesischer Staatsbürger ausserhalb des Festlandes getätigt, was bedeutete, dass der Regierung Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Einzelhandelsinfrastruktur entgingen. In den letzten zwei Jahren, als der chinesische Überseetourismus praktisch ausblieb, kehrten diese Ausgaben in die Heimat zurück, was der chinesischen Regierung in Form der von Unternehmen im Inland gezahlten Zölle zugute kam. Daher erwarten wir nicht, dass die Regierung aktuell ein Interesse daran hat, die Gans zu töten, die das goldene Ei gelegt hat. Solange China eine Politik beibehalten kann, bei der neben der Rückkehr des Überseetourismus auch die inländische Einzelhandelsinfrastruktur weiterhin profitieren kann, werden diese Unternehmen insgesamt wichtige Steuerzahler für den Fiskus sein.

Zwar stellen die amerikanischen und chinesischen Verbraucher die grössten Umsatzträger des Sektors dar, doch stellen wir zunehmend fest, dass die Unternehmen auch Märkte ausserhalb dieser beiden Kernmärkte als Wachstumstreiber des Sektors nennen. Verbraucher im Nahen Osten haben in letzter Zeit stark zugelegt, obwohl nur etwa 4 bis 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes in dieser Region stattfinden. Wir beobachten auch, dass Unternehmen zunehmend auf Märkte in Südostasien verweisen, wie Indonesien mit mehr als 300 Millionen Menschen oder Vietnam mit einer Bevölkerung von 100 Millionen und einer wachsenden Mittelschicht. In zahlreichen Märkten ausserhalb Chinas und der USA setzt sich das Wachstum der Mittelschicht und des Massenwohlstandes fort.

Wir beobachten darüber hinaus eine Verlagerung der Ausgaben weg von Waren hin zu Dienstleistungen. Während der Pandemie wurden den Verbrauchern Dienstleistungen wie Reisen, Freizeit und Unterhaltung vorenthalten. Die Verlagerung der Ausgaben auf Waren stieg auf ein Rekordhoch. Vor der Pandemie lag das Verhältnis der Ausgaben von Dienstleistungen und Waren bei etwa 70 zu 30. Während der Pandemie verschob sich das Verhältnis auf etwa 60 zu 38. Derzeit ist eine allmähliche Umkehr zu Erlebnissen und Dienstleistungen zu beobachten, da die Menschen beginnen, mehr auszugehen, häufiger zu reisen und vermehrt auswärts zu essen. Wir beobachten eine Inflation bei den Dienstleistungen, da es einen grossen Nachholbedarf bei Reisen gibt, den die Menschen in den letzten zwei Jahren nicht decken konnten, und infolgedessen sind die Menschen in vielen Fällen relativ unempfindlich gegenüber Preiserhöhungen für Hotelzimmer. Wir beobachten, dass sich vor allem der Absatz luxuriöser Erlebnisse stark erholt. Der gesamte Sektor ist für die Rückkehr der Erlebnissparte gut positioniert, da die Menschen ihre Garderobe ergänzen wollen, was sie bereits in den letzten sechs Monaten getan haben, da sie nun mehr reisen oder ausgehen, während Kosmetik und Hautpflege ebenfalls profitieren werden.

Insgesamt hat der Sektor einen aggressiven Preisverfall der Aktien erlebt, und die Bewertungen sind deutlich gesunken. Es herrscht eine grosse Streuung, da einige Unternehmen aggressiver getroffen wurden als andere. In einem sich abschwächenden makroökonomischen Umfeld konzentrieren die Verbraucher ihren Anteil an den Ausgaben auf jene Marken und Produkte, die besonders prestigeträchtig sind oder bei denen sie einen Investitionsanreiz sehen, und bei denen diese Produkte ihren Wert über einen längeren Zeitraum behalten werden. Aus diesem Grund wird die Titelauswahl der Schlüssel zur Steigerung der Rendite in diesem Sektor sein.

Der Sektor hat dieses Auf und Ab bereits in der Vergangenheit erlebt, zum Beispiel während der Finanzkrise oder der Korruptionsbekämpfung. Bei jedem anschliessenden Rückschlag kehrte der Sektor wieder zu seinen früheren Höchstständen zurück. Wir erwarten, dass es diesmal nicht anders sein wird.

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