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Fondsmanagerin Im Porträt: Reiko Mito

Reiko Mito ist seit 18 Jahren Fondsmanagerin. Seit sie zu GAM kam, ist sie zu einem wichtigen Mitglied unseres eingespielten Teams für japanische Aktien geworden, das mittlerweile eine beneidenswerte Erfolgsbilanz vorweisen kann. Was ist das Geheimnis des Teams?

Donnerstag, 9. August 2018

Warten auf die richtige Gelegenheit

«Wir versuchen, in Unternehmen zu investieren, die ihre Gewinne wiederholt recht zügig steigern können. Das perfekte Timing für Transaktionen zu finden oder auf kurzfristige Turbulenzen zu reagieren, ist nicht unser Ansatz. Wir wollen das Management eines Unternehmens kennenlernen und verstehen, welche Ambitionen es hat und wie es die Unternehmensziele erreichen will. Wir wollen erkennen, ob das Management hinter den Kulissen Dynamik entfaltet, und Unternehmen finden, die über einen Zeitraum von fünf oder mehr Jahren ein nachhaltiges Wachstum erreichen können. Und weil wir dieses Wachstumspotenzial nicht zu teuer bezahlen wollen, müssen wir sehr geduldig sein.»

Bereits in jungen Jahren eine Kosmopolitin

Reiko gibt offen zu, dass sie keinen bestimmten Beruf vor Augen hatte, als sie an der Universität studierte. Bis zu ihrem Abschluss hatte sie aber diverse Länder und Kulturen kennengelernt. «Alles begann in Belgien, wo ich acht Jahre zur Schule ging, ehe ich nach Japan zurückkehrte. Während des Studiums ging ich im Rahmen eines Studienseminars nach Australien. Zurückblickend denke ich, dass mir dort – unterbewusst – das Saatkorn für eine Karriere im Finanzsektor eingepflanzt wurde.

Bei dem Projekt, an dem ich arbeitete, ging es um Direktinvestitionen japanischer Konzerne ausserhalb Japans. Da mein Vater gute Beziehungen hatte, erhielt ich die Chance, in Sydney Komatsu zu besuchen. Das Unternehmen – nach einer Stadt in der japanischen Präfektur Ishikawa benannt – ist ein weltweit führender Anbieter von Baumaschinen wie Baggern, Bulldozern und Gabelstaplern. Damals interviewte ich einen Mitarbeiter von Komatsu. Der Mann war Ende 30 und für die Finanzen und allgemeine administrative Aufgaben am Standort Sydney zuständig. Im Jahr 2015 traf ich ihn in Zürich wieder; da war er bereits CFO von Komatsu (und ist es heute noch). Er erkannte mich nicht nur wieder, sondern erinnerte sich auch daran, dass ich mit einer langen Fragenliste bewaffnet gewesen war, als ich ihn 20 Jahre zuvor interviewt hatte!»

Das Saatkorn für eine Karriere im Finanzsektor begann zu keimen, als Reiko ihr drittes Studienjahr als Austauschstudentin in Paris verbrachte. «Während des Studiums traf ich jemanden, der in Frankreich im Research für die Bank of Japan (BoJ) tätig war. Ich wurde gefragt, ob ich nach dem Studium dort arbeiten wollte. Und so begann ich, direkt nach meinem Abschluss bei der BoJ zu arbeiten. Ich war hellauf begeistert, meine Karriere dort beginnen zu können, doch anfangs war ich etwas unsicher, was von mir erwartet wurde. Das fand ich etwas einschüchternd. Ich wurde in der Abteilung für das Finanzsystem eingesetzt und mit Research-Aufgaben betraut. Damals waren die Bilanzen der Banken ganz massiv durch notleidende Kredite belastet, was eine grosse Gefahr für die Gelder der Einleger bedeutete. Uns wurden zwei wichtige Aufgaben übertragen: Wir sollten sicherstellen, dass es keinen Bankenansturm gab, und einen Einlagensicherungsmechanismus entwickeln, der gewährleisten würde, dass Einlagen bis zu einer bestimmten Höhe garantiert waren.»

Im Jahr 1998 wechselte Reiko zu Goldman Sachs, musste sich aber erst mühsam erste Sporen verdienen, ehe sie ins Portfoliomanagement wechseln konnte. «Ich hatte das Glück, dass ich genau in der Zeit anfing, als die Vermögensverwaltungsbranche in Japan nach der Deregulierung gerade kräftig zulegte. Bei Goldman Sachs fing ich im Vertrieb an, und das Geschäft in Tokio verzeichnete ein enormes Vermögenswachstum. Zwei Jahre später beschloss Goldman Sachs, das Portfoliomanagementteam für japanische Aktien zu vergrössern. Meine Bewerbung für dieses Team wurde von meinem damaligen Vorgesetzten unterstützt – als Belohnung für meine gute Arbeit im Vertrieb und Marketing. Das war im Dezember 2000, und der Rest ist Geschichte, denke ich.»

Alles andere als gewöhnlich...

Als wir auf ihre Hobbys und Freizeitbeschäftigungen zu sprechen kommen, sagt Reiko etwas Erstaunliches:

«Ich bin ein ganz normaler Mensch, der zufällig gern Bücher liest!»

Sie sagt, dies sei ein Zitat ihres Lieblingsschriftstellers Haruki Murakami, dessen Bücher in über 50 Sprachen übersetzt wurden. Reiko spricht zwar fliessend Englisch und Französisch (ihr Deutsch ist auch ganz ordentlich!), räumt aber offen ein, dass sie am liebsten Bücher in ihrer Muttersprache liest. Da Murakami mit dem Stift sehr fleissig ist, geht ihr der bevorzugte Lesestoff auch nicht aus.

«Mein Lieblingsbuch von Murakami ist Die Ermordung des Commendatore. Selbst der Schriftsteller sagt, dass es sich dabei um die ‹seltsame Geschichte› eines Porträtmalers handelt, die schildert, wie sich dessen Leben verändert, als sich seine Frau von ihm scheiden lässt – er zieht in ein altes Haus in Tokio und findet ein Gemälde, dessen Sujet, nach dem das Buch auch benannt ist, plötzlich spricht. Was mir an Murakami am besten gefällt, ist die Art und Weise, wie er Phantasie mit Realität verschmilzt. Nach einer Weile beginnt man wertzuschätzen, dass die Phantasie etwas entwaffnend Ehrliches hat – man kann sagen und denken, was man wirklich fühlt, denn da ist niemand, der über einen urteilt. In der Realität wiederum geht es mehr um Agenden und Kompromisse als um die absolute Wahrheit. Murakami selbst schrieb: ‹...fast niemand sucht nach schmerzhaften Wahrheiten. Was die Menschen brauchen, sind schöne, beruhigende Geschichten, die ihnen das Gefühl geben, dass ihr Leben einen Sinn hat.› Mit dieser Empfindung kann ich mich sehr gut identifizieren.»

Nicht nur das geschriebene Wort inspiriert Reiko – sie ist auch Musikliebhaberin, wenngleich eine sehr wählerische! «Ich mag zwar auch japanischen Rock, aber Rolando Villazon, ein französisch-mexikanischer Opernsänger, ist mein absoluter Lieblingskünstler. Ich habe ihn in Zürich (natürlich), Paris und Baden-Baden bereits live gesehen. Villazon unterscheidet zwischen ‹brennenden› Künstlern mit einer kurzen Karriere und ‹zerebralen› Künstlern, die über lange Zeit erfolgreich sind. Gebrannt hat er sicherlich, als er in seinen 20ern und 30ern war. Doch im Jahr 2009 musste er sich einer heiklen Hals-OP unterziehen. Danach entwickelte er sich zu einem eher ‹zerebralen› Künstler, der nicht mehr in Operninszenierungen auftritt, sondern nur noch Konzerte gibt. Trotzdem hat sich, soweit ich das beurteilen kann, sein emotionales Engagement in Bezug auf die Musik und das Publikum keinesfalls abgekühlt!»

Japan und Schweiz im Vergleich

Abseits der Buchläden und Konzertarenen lebt Reiko sehr gern in der Schweiz. Sie hat auch einige Ähnlichkeiten mit ihrer Heimat entdeckt. «Zunächst einmal ist da – natürlich – die Pünktlichkeit. In Japan ist sie ein absolutes Muss, und ich mag, dass die Schweizer so stolz auf ihren Bahnverkehr sind. Dann ist da der Wunsch nach Frieden und Harmonie – in Japan nennen wir das ‹Wa-Kultur›. Im Grunde heisst das, dass es unhöflich ist, direkt zur Sache zu kommen – man soll sich mit anderen unterhalten ... und sie nicht herumkommandieren.

Zudem sind beide Länder natürlich geschichtsträchtig, und hier wie da sind die Menschen stolz auf ihre Wurzeln. Ich besuche sehr gern Museen in Japan, der Schweiz und ganz Europa. In Japan respektieren wir feierliche Rituale, und es gibt überall kleine Schreine und Tempel, selbst in Wohngebieten draussen vor der Stadt. Der Schwerpunkt liegt dabei stets mehr auf Spiritualität als auf Religion.

Ich schlendere gern durch kleine Ortschaften und Dörfer und bewundere die Tier- und Pflanzenwelt. Vor etwa 20 Jahren erlangte ich ein Lehrer-Diplom in Sogetsu, einer der japanischen Ikebana-Lehren, nachdem ich jahrelang Unterricht genommen hatte. Der Stil unterscheidet sich insofern von westlichen Kulturen, als in Japan der Raum zählt. Daher schaffen wir in unseren Blumenarrangements gern Räumlichkeit, indem wir den Stiel mehr biegen und raumgreifender einsetzen, als dies bei klassischen Bouquets in Europa der Fall ist, bei denen es in erster Linie um die Blüten geht.

 

Was die Schweiz auszeichnet, ist, dass in Zürich die Stadt, der See und Berge ganz nah beieinander sind. Tokio ist eine wunderschöne Stadt, aber auch wirklich gewaltig und erdrückend. Ich liebe es, Zeit im Freien zu verbringen, und mag es sehr, wenn ich in den Bergen wandern kann, es aber nicht weit bis nach Hause und ins Büro habe.

Andererseits wird wohl jeder, der im Ausland lebt, sagen, dass er das Essen und die Küche aus der Heimat vermisst. Als Japanerin liebe ich Fisch, ob gegrillt oder roh. Die Yuzu ist dabei eine sehr wichtige Zutat. Die Yuzu ist ein wenig sauer, aber aromatischer als eine Zitrone und passt sehr gut zu Ingwer und Meerrettich. Man kann sie zu Fleisch und auch Fisch essen. Glücklicherweise ist die Yuzu in Paris sehr populär, und Paris nicht allzu weit weg. Ausserdem gefällt mir das japanische Restaurant Yu-an (der Name bedeutet ‹ein Ort, um zu essen und Spass zu haben›) in Zürich.»

Reiko hat während des gesamten Interviews gelächelt, doch als wir auf die Aspekte ihrer Arbeit zu sprechen kommen, die sie am meisten mag, ist da in ihren Augen noch ein anderes Funkeln zu sehen.

Aktienauswahl, Aktienauswahl, Aktienauswahl!

«Ernst (Glanzmann) und ich schwören auf die bottom-up-orientierte Aktienauswahl. Wenn ich das Management eines Unternehmens treffe, möchte ich das Unternehmen wirklich verstehen. Anders als bei meiner prägenden Erfahrung in Sydney bei Komatsu möchte ich nicht, dass diese Treffen zu einer steifen Frage-und-Antwort-Stunde werden. Das Management soll offen über das eigene Geschäft sprechen, und ich schildere ihnen meine Sichtweise als Aktionär – und biete ihm damit Einblicke, die es intern wohl nicht erlangen kann. So gesehen, denke ich, dass unsere Treffen für beide Seiten nutzbringend sind.

Wir lesen und hören häufig von anderen, welche Rolle die Stärke und Schwäche des Yen bei der Bestimmung der künftigen Richtung des japanischen Aktienmarkts spielen kann. Doch das ist nur eine unnötige Ablenkung. Uns interessiert nicht allzu sehr, in welche Richtung sich der Markt in nächster Zeit entwickeln könnte. Wir wollen nur sicherstellen, dass wir die besten Titel des Marktes («führende japanische Unternehmen») im Portfolio haben. Und auch wenn die umgekehrte Korrelation zwischen der Yen-Aufwertung und der Aktienmarktentwicklung in den letzten rund zehn Jahren sehr deutlich zu erkennen war, ist das doch eher die Ausnahme als die Regel.

In den 25 Jahren davor waren solche Szenarios sehr selten gegeben. Um es mit den Worten des legendären verstorbenen Sir John Templeton zu sagen: «Die fünf gefährlichsten Worte der Kapitalanlage lauten ‹Dieses Mal ist alles anders›». Gemäss diesem Mantra suchen die Anleger nach Gründen, die erklären, warum ein neues Phänomen aufgetreten ist und warum es weiter Bestand haben dürfte. Die Korrelation zwischen dem Yen und den Aktienkursen bildet hier keine Ausnahme. Die Unternehmenslandschaft in Japan ist ungemein spannend und entwickelt sich weiter. Warum sollten wir uns daher in Dingen verlieren, die wir weder kontrollieren noch voraussagen können?

Die Korrelationen in Japan gleichen zunehmend denen im Westen. Früher war es nicht unüblich, dass die Aktionäre alles abnickten. Doch die Stimmrechtsvertretung ist heute sehr viel weiter verbreitet, und Vorhaben müssen heute besser durchdacht sein, um sicher sein zu können, dass sie von den Aktionären unterstützt werden. Zu verstehen, wie zwei ganz verschiedene Kulturen aufeinanderprallen, ist nur ein Teil der Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir müssen für jeden Konflikt zwischen bisherigen und ‹neuen› Werten und etwaige geschäftliche Beeinträchtigungen empfänglich sein, zu denen es während des Entwicklungsprozesses möglicherweise kommt. Unsere Aufgabe ist es zu gewährleisten, dass wir die richtigen Möglichkeiten – und nur die richtigen Möglichkeiten – nutzen. Ich finde es wirklich sehr spannend, Tag für Tag ein Teil davon zu sein.»

Wichtige rechtliche Hinweise

Die Angaben in diesem Dokument dienen lediglich zum Zwecke der Information und stellen keine Anlageberatung dar. Die in diesem Dokument enthaltenen Meinungen und Einschätzungen können sich ändern und geben die Ansicht von GAM unter den derzeitigen Konjunkturbedingungen wieder. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben wird keine Haftung übernommen. Die vergangene Performance ist kein Indikator für die laufende oder künftige Wertentwicklung.

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